Ein Gespräch mit Aeham Ahmad über Rassismus

Aeham, was denkst du über Rassismus?
Ich denke, Rassismus existiert in allen Ländern oder Kulturen. Jeder Mensch hat rassistische Ansätze in sich, das gilt für jedes Land. Wir müssen uns selbst immer wieder hinterfragen, warum wir Vorurteile gegenüber Menschen haben, die eine andere Herkunft, Hautfarbe oder einen anderen Glauben haben als wir.
Ich kann dir dafür ein Beispiel aus Syrien erzählen. Vor dem Krieg hatten wir in Damaskus ein Geschäft. Wir haben dort Musikinstrumente verkauft und ich habe Klavierunterricht gegeben. Eines Tages kam ein Mann in den Laden. Er hatte kein Geld um etwas zu kaufen, aber er konnte sehr gut Gitarre spielen und wollte mit anderen zusammen Musik machen. Während er spielte kam mein Freund auf einen Besuch vorbei. Er fragte, warum ich diesen Mann in mein Geschäft gelassen hätte. Er sei doch ein Schwarzer, der nicht einmal richtig arabisch könne. Ich solle ihn wegschicken.
Ich erklärte ihm, dass dieser Mann als politischer Flüchtling aus Zimbabwe gekommen sei. Auch ich sei doch als Palästinenser ein Flüchtling. Obwohl in Syrien geboren, stünde ‚Flüchtling‘ in meinem Pass und ich sei deswegen staatenlos. Die Antwort meines Freundes: „Ja, du! Aber du bist doch einer von uns. Du sprichst ja arabisch wie wir!“
Du und der Fremde, ihr habt die Musik als eine gemeinsame Sprache gefunden. Kannst du mit deiner Musik andere Menschen erreichen und Brücken bauen?
Das hoffe ich sehr, dafür trete ich auf, allein oder zusammen mit anderen. Aber wenn ich nur Musik spiele, ist es erst einmal nur Musik. Man braucht eine Geschichte dazu. Deswegen verbinde ich meine Konzerte mit Lesungen aus meinem Buch. Geschichten über das Schicksal meiner Eltern, mein Leben in Syrien vor und während des Krieges, über meine Flucht nach Deutschland….

WELTMUSIK!
Für eine CD haben zusammen gespielt: Tobias Schulte aus Kassel, Shingo Masuda aus Japan, Ahmad Kattan aus dem Irak, Rebecca Nicolini aus Solingen, Aeham Ahmad aus Daseburg
Außerdem mache ich Weltmusik zusammen mit Musikern aus vielen Nationen. Sie stammen aus Amerika, Russland, Japan, Australien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Spanien und natürlich auch aus den arabischen Ländern.
Was kann unsere Gesellschaft gegen Rassismus tun?
Sich gegenseitig die Hand reichen! Nur über den Kopf, über die Theorie, wird es nicht funktionieren. Es geht vor allem über ein Sich kennenlernen. Nur so kann man die Angst und die Vorbehalte vor dem Fremden und den Fremden überwinden. Die Zweite Heimat Warburg e.V. ist mit der interkulturellen Begegnungsstätte, den Veranstaltungen und Angeboten ein tolles Beispiel. Auch woanders gibt es wunderbare Ansätze, wie z.B. in Marl, eine Stadt in NRW mit rund 100 000 Einwohnern.
Dort veranstaltet seit 2001 eine christlich-Islamisch-Jüdische Arbeitsgemeinschaft jährlich das Abrahamsfest. Ich war dort 2020 Schirmherr und bin seitdem dort aufgetreten. Mich hat das gemischte Publikum begeistert. Junge Leute haben auf der Bühne über Rassismus gesprochen, auch über Rassismus, der im Namen der Religion stattfindet.

www.aeham-ahmad.com
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