Auch in Warburg: Abschiebung aus festem Anstellungsverhältnis
Warburger Asylsuchenden wird Bleiberecht verwehrt, trotz fester Anstellung, gemieteter Wohnung und bester Integrationsaussichten. Harte Entscheidungen mit weitreichenden Folgen nicht nur für die Betroffenen sondern auch für Arbeitgeber, Vermieter und Ehrenamtliche.
Ein ergänzender Kommentar zum Bericht Neue Westfälische vom 11.08.2018 von Katahrina Engelhardt – Wäscherei-Mitarbeitern droht die Abschiebung
Bleiberecht: Firmen investieren viel Zeit und Energie, Flüchtlinge in ihren Betrieb zu integrieren. So haben auch Zarif Habibi Torkamani und Ammar Alajawe in Warburg einen Job gefunden. Jetzt droht die Abschiebung.
Der aktuelle Fall
Der 29-jährige Afghane Zarif Habibi Torkamani ist 2014 vor den Taliban in Afghanistan nach Deutschland geflohen. Nach seiner Unterbringung in Dössel fanden sich schnell Ehrenamtliche, die ihm Deutsch als Sprache und die kulturellen Unterschiede zu seinem Heimatland näher brachten. Mit viel Engagement gelang es, dass die Firma Boco CWS Zarif Habibi 2017 nach einem Praktikum einstellte. Und wie sich rausstellen sollte für den Arbeitgeber ein echter Glücksgriff. Zuverlässig und engagiert ist Zarif Habibi seither bei seiner Arbeitsstelle als Mitarbeiter und Kollege beliebt. Kurz nach seiner Anstellung fand er dann auch noch eine Wohnung in Warburg. Eine Geschichte, wie Integration im Zusammenspiel von Ehrenamt, Arbeitgebern und einer offenen Gesellschaft funktioniert.
Bis… ja bis eine kurze E-Mail der Kreisbehörde Höxter jetzt die Perspektive mit einem Schlag zunichte machte: Darin erklärte man Zarif Habibi, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge negativ über sein Asylgesuch entschieden habe. Er habe Deutschland binnen vier Wochen zu verlassen.
Die Folgen
… für den Arbeitgeber
Der Arbeitgeber wird mit den Worten zitiert:
Weshalb muss man jemanden, der sich integriert und fleißig ist, abschieben?
…nicht zuletzt die vergebliche Investition in den Arbeitnehmer ist für die Arbeitgeber ein echtes Problem. Es bleibt bei der völlig irrwitzigen Realität, dass es in Deutschland keinerlei eindeutige Gesetzgebung gibt, die im Rahmen eines Einwanderungsgesetzes solche Situationen klärend bereinigt. Ja, ein abgelehnter Asylantrag führt zur Verpflichtung Deutschland zu verlassen. Unabhängig davon, ob Afghanistan ein sicheres Land ist, in das abgeschoben werden kann, stellt sich die Frage, was wir angesichts fehlender Fach- und Arbeitskräfte in diversen Wirtschaftsbereichen dadurch erreichen wollen, die Integrationswilligen und -fähigen aus den neu geregelten Lebensverhältnissen zu reißen und abzuschieben. Die betroffenen Unternehmen schütteln zurecht schon länger den Kopf. Zumal diese Terminierungspraxis (4 Wochen Zeit, das Land zu verlassen) es ihnen unmöglich machen dürfte kurzfristig Ersatz zu finden. Und warum sollte man als Arbeitnehmer überhaupt weiter auf die Einstellung von Asylsuchenden wert legen und Integrationswillen (und somit soziale Verantwortung) zeigen? Letztlich ist eine Personalentwicklung so ja im Sinne des Unternehmens nicht möglich.
… für den Vermieter
Zarif Habibi hat letztes Jahr nach langem Suchen einen Wohnung in Warburg gefunden. Klar, es war nicht leicht den Vermieter davon zu überzeugen einem Asylsuchenden die Wohnung zu vermieten, doch letztlich konnte der neue Mieter mit seiner Festanstellung und dem persönlichen Auftreten überzeugen. Und jetzt? Durch die kurze Fristsetzung der Ausreiseaufforderung wird Zarif Habibi nicht mal die Kündigungszeit seiner Wohnung mehr bleiben können. Auch sowas hinterlässt Spuren, bei dem Vermieter, der wohl, im schlechtesten Fall, 2 Monate ohne Mieteinnahmen sein wird. Auch das schürt weiter Unmut, diesmal bei den Vermietern, die natürlich auch Mehraufwand und Arbeit bei solchen Praktiken haben.
… für Zarif Habibi
Die Folgen für Zarif Habibi sind wohl kaum fassbar. Nach Jahren des Kampfes um seinen Status als Asylberechtigter, hat er nun gesagt bekommen, du musst zurück in das Land, das dich vertrieben hat. Jahrelanges deutsch lernen, sich einer fremden Kultur anpassen und ein Leben ohne die Familie ist völlig umsonst gewesen. Das Zahlen von Steuern und Sozialabgeben und somit das Zurückzahlen von Leistungen, die man zuvor dankbar erhalten hatte ist hinfällig. Das neue Leben was aufgebaut wurde, die neuen Freunde die gefunden wurden, die Menschen die einem geholfen haben werden zukünftig nicht mehr da sein.
… für die ehrenamtlichen Helfer
Frustration ist wohl das einzige Wort das es wirklich trifft. Man hat sich so viele Stunden bemüht, zu zeigen dass ein Asylsuchender willkommen ist, deutsch zu lehren, Sitten und Gebräuche näher zu bringen, Arbeit und Wohnung zu finden und das WIR über das ICH zu stellen. Und wenn dann alles zu einem guten Ende kommt, was wahrlich nicht immer so ist, wird mit einer knappen E-Mail alles zunichte gemacht. Die innere Leere die daraus folgt ist kaum zu beschreiben, trifft es doch besonders emotional die Betroffenen Helfer tief in ihrem Herzen.
Was tun?
Es braucht wirklich dringend ein Einwanderungsgesetz, das klärt unter welchen Umständen ein bestehender Integrationsprozess nicht mehr zur Abschiebung führen darf, in dem steht welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen um eine Bleiberecht zu bewirken, nur so könne wir den negativen Folgen solcher Fälle entgegen treten.
Zum Thema Afghanistan
- Nach den Terroranschlägen auf die USA am 11. September 2001 begannen die USA und Verbündete den Internationalen Kampf gegen den Terrorrismus in Afghanistan, um die Taliban-Regierung zu stürzen und Al-Quaida zu bekämpfen.
- Dem seit nunmehr 16 Jahren andauernden Krieg fielen insgesamt 70.000 Menschen zum Opfer, über zwei Millionen Flüchtlinge sind vor den Gefahren geflohen, und noch immer verlassen viele Menschen das Land.
- Afghanistan wird beherrscht von Terror und Korruption. Beinahe täglich kommt es zu neuen Anschläge mit Toten und Verletzten, die bewaffneten Auseinandersetzungen halten an.